2023-09-13 19:00

FC St. Pauli 5 - HSG Elbvororte 3 23:18 (12:9)

10.9.2023, 19:45, Thedestraße

 

Faites Vos Jeux

In der 72. Minute des Vintage-Spiels bekam ich in der Abwehr den Ball zu fassen und startete zu einem Konter. Einen, zwei, drei Gegner konnte ich überlaufen – mein Tunnelblick war stur nach vorne gerichtet. Der siebte oder achte schaffte es dann nach ca. 120 Metern, seine Finger gegen den Ball und mich damit aus dem Gleichgewicht zu bringen. Ich purzelte vornüber und rutschte ins Toraus. Dort blieb ich ein Weilchen liegen, um meinen Lebensgeistern die Chance zu geben, wieder zu mir aufzuschließen.

Ein Pfiff ertönte. Freundliche Menschen kamen herbei und halfen mir auf die Beine. Man geleitete mich zur Auswechselbank, wo es was zu trinken gab. Die abschließenden Minuten des Vintage-Spiels verschwanden hinter einem Schleier.

Handballspieler verließen das Spielfeld. Neue kamen. Freundliche Menschen brachten mich zu einem anderen Sitzplatz. Ich dachte an meine Tasche. Mir wurde kalt. Ich aß eine Banane. Der Schleier lichtete sich langsam. Meine Mannschaft war nun weiß. Diskret zog ich mich hinter die Bank zurück und tauschte mein braunes Trikot gegen ein weißes.

Deine Mannschaft braucht dich, sagte ich mir. Reiß dich zusammen! Wenn du nicht über dieses Spiel berichtest, dann wird es niemand tun. Dann wäre es, als sei es nie geschehen.

Lag es an mir, daß die Taubheit fortbestand? Oder lag es an den anderen? Irgendwas passierte auf dem Spielfeld. Aber was genau passierte da? Und warum? Gefühlt waren wir in der ersten Halbzeit fünf Tore besser. Wir spielten unseren Stiefel routiniert runter und brachten den Ball meistens irgendwie im Tor unter – und sei’s als Siebenmeter. Da zu unserer Routine regelmäßige fragwürdige Ballverluste gehören – vor allem durch unsinnige Kreisanspiele – lag der gezählte Vorsprung immer ein wenig unter dem gefühlten. Daß es diesen Vorsprung überhaupt gab, hatten wir Marco zu verdanken, der bei seinem Einstand im Tor tüchtig was wegfing.

Im Laufe der ersten Halbzeit erhob sich mein Bewußtsein allmählich zu den gewohnten Höhen. Weil wir eine volle Bank hatten, konnte ich mich aufs Klugscheißen konzentrieren. Die an diesem Tag sehr großzügige Auslegung der Schritte-Regel wäre mir eigentlich zupaß gekommen – dafür hätte ich aber erstmal fünf Schritte durchhalten müssen. Nein – lieber sah ich Mo und Piet dabei zu, wie sie diese ungewohnte Freiheit genossen und ausgelassenen Füllen gleich durchs Mittelfeld sprangen. Und ich wiegte mein weises Haupt, die schönen Aktionen von Pierre und Pedro am Kreis anerkennend. Besser als die beiden hätte ich es auch nicht gemacht.

Unser Überzahlspiel hingegen war ausgesprochen beschissen. Kaum war der Gegner dezimiert, hörten wir auf Handball zu spielen – sonst hätten wir vielleicht auch mehr als drei Tore von außen geworfen. Ich meinte in unserem Überzahlverhalten eine gewisse hühnerhafte Hektik zu erkennen, aber Kollegen auf der Bank wiesen mich darauf hin, daß die Mannschaft sich in letzter Zeit eher darauf verlegt hätte, ihr Unterzahlspiel zu optimieren. Man kann nicht alles haben.

In der zweiten Halbzeit sorgte dann erstmal Joni auf Rückraum Mitte für Furore. Räume ziehen usw., aber auch mit einem sehr schönen Durchbruch, als der Gegner sich allzu offensichtlich darauf verließ, dass wir die angesagte Kreisläufer-Rolle auch wirklich spielen würden. Dann aber gelang es ihm, nach eigener Aussage, „den einzigen Punkt in der Halle [zu finden], wo man nicht rutscht, leider wollte mein Knie aber weiter als der Fuß.“ Das Kreuzband ist wohl gerissen und auch ansonsten ist das Knie ein matschiges Durcheinander.

Nach Jonis Ausfall sah sich Sepp genötigt, seinerseits ein Feuerwerk abzubrennen, um gar nicht erst den Gedanken aufkommen zu lassen, die Mannschaft könnte geschwächt sein. Die HSG knabberte noch ein bißchen was von unserem zwischenzeitlichen 7-Tore-Vorsprung weg, aber aus dem Positionsspiel waren sie zu ungefährlich und von den paar Kontern, die sie bekamen, nahm Marco zu ihrem großen Verdruß auch noch einige weg.

Alles in allem war das ein ganz ordentliches erstes Saisonspiel von uns.

 

(arne)

Es spielten: Kurt (Tor), Marco (Tor), Nils, Mo, Michael H., Michael „Michel“ S., Pierre, Luis, Piet, Arne, Joni, Bene, Pedro, Sepp; auf der Bank: Felix (Coach), Wilde (Coach)

 

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