2018-11-27 16:52

SG WIFT Neumünster - 1. Männer 25:26 (13:12)

Auswärtsspiel am 24.11.2018, 17 Uhr, KSV-Halle Neumünster 

Neumünster, kalt und hart

Es herrschte eine merklich angespannte Stimmung im Bus. Je weiter wir uns von Zuhause entfernten, je weiter wir die Buda hinter uns ließen, desto ruhiger wurde es. Das sonst immer vorherrschende Gelächter, die Späße und Unterhaltungen, das Fachgesimpel über das bevorstehende Spiel: zurückhaltend, fast vorsichtig. Die oberligaerfahrenen alten St. Pauli Hasen kennen das schon, die Fahrt nach Neumünster ist speziell. Der Stadt eilt ein Ruf voraus, sie ist kalt, sie ist hart, sie ist kriminell. 

Als sich der Bus der Stadt näherte, sah man Nebelschwaden über dem Horizont hängen. Ist es die Herbstfeuchtigkeit, oder vielleicht doch Rauchschwaden von einem brennenden Haus, einer Drogenküche, oder gar die Folgen einer Schießerei? Es lief mir eiskalt den Rücken runter, trotz gut funktionierender Heizung im Bus. Was halten solche Scheiben eigentlich aus, fragte ich mich kurz, dachte dann aber halbwegs beruhigt an andere Auswärtsfahrten, bei der die Strapazierfähigkeit des (Sicherheit?)Glases bereits intensiv getestet wurde. Einen Faustangriff würden sie wohl überstehen, aber fliegende Flaschen? Ein mulmiges Gefühl blieb.

Mit dem Verlassen der Autobahn verstummten die letzten Gespräche im Bus, Spieler setzten Kopfhörer auf, der einzige mutige mitgereiste Fan nahm wie in Trance einen Schluck von seinem Bier. An der ersten Ecke stand eine Gruppe düster dreinblickender Menschen, ihre Gesichter wurden von der Glut ihrer Zigaretten in ein zartes Orange versetzt. Kriminelle, die sich gerade auf die Aktivitäten nach Einbruch der Dunkelheit vorbereiteten. Ich wich ihren Blicken aus. Erneut fühlte ich einen Schauer über meinen Rücken kriechen.

Im Dämmerlicht flackerten die ersten Straßenlaternen, aus der Entfernung hörte ich Sirenen heulen. Polizei? Bisher hatten wir die Ordnungshüter hier noch nicht gesehen, über Recht und Unrecht schienen in den letzten Jahren andere Instanzen zu entscheiden. Bellende Kampfhunde ließen wir links liegen und hofften, dass die Halle nicht mehr weit ist. Eine schwarze Katze huschte durchs Scheinwerferlicht unsere Busses und verschwand hinter einem der zahlreichen AfD Plakate, die die Straße säumten.

Bevor wir die Halle erreichten, passierten wir eine Kneipe, deren Name an ein bekanntes sinkendes Schiff erinnerte. Vor der Kneipe standen stämmige Männer mit wenigen Haaren auf dem Kopf und viel Tinte auf der Haut, zwischen ihnen Hunde, die denen im nahegelegenen Vorgarten sehr ähnlich sahen. Mit Recht und Ordnung hat man es hier nicht so, das scheint auch für den Maulkorberlass zu gelten, huschte es mir durch den Kopf. Zum Glück haben wir heute keinen Totenkopf am Bus, murmelte es vom Sitz hinter mir. 

Als wir in der Halle ankamen fühlten wir uns etwas sicherer. Bekannte Gesichter, die weniger feindselig guckten als die Bärtigen vor Tanke und die Kahlköpfe vor der Kneipe. Ein Gefühl blieb jedoch als ich das Spielfeld betrat: Es ist kalt in Neumünster, und hart. 

Die Ablenkung im Spiel tat uns sichtlich gut, man merkte jedoch, dass wir etwas Zeit brauchen, um das klamme Gefühl der Angst aus den Gliedern zu bekommen. Wir gerieten in Rückstand, doch je wärmer wir wurden, je lockerer die Stimmung wurde, desto besser kamen wir uns Spiel. Es keimte  Hoffnung auf, würde es uns wieder gelingen, dieser Stadt des Verbrechens ein Schnippchen zu schlagen und die Punkte entführen? 

Es gelang. In der letzten Aktion schlugen wir die Bad Bears mit Ihren eigenen Waffen: Diebstahl. Der Ball so halb in der einen, so halb in der anderen Hand und dann auf dem Boden und in unserem Besitz, das Spiel vorbei. Alle Anspannung fiel ab, die Freude überschwänglich, aber kurz. Wir befanden uns ja weiterhin auf kaltem, harten Boden im Sodom und Gomorrha des Nordens, also schnell in die Kabine. 

So warm wie die Dusche meinem vom Angstschauer geplagten Rücken runter lief, so warm wurden wir dann im friedlichsten, wohl unneumünsteranischsten Ort der Stadt empfangen. Warm und herzlich ging es zu beim nicht enden wollenden Grünkohl-, Schweinebacke- und Kohlwurstglück. Nur der Schnaps, der hätte ruhig ein bisschen kälter und härter sein können. 

 

Zurück